»Madeiragrab« – die neue Krimiserie von Madeira – Inhalt und Leseprobe

Avila bereitet sich auf das größte Abenteuer seines Lebens vor, seine Frau Leticia ist schwanger.
Eigentlich wollte er die ruhigen Sommermonate nutzen, um sich langsam auf die Änderungen seines Lebens einzustimmen, aber eine Serie von Morden macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Ist der Auslöser die Ausstellung von Gemälden eines bekannten Staatsmannes?

Oder müssen Avila und Vasconcellos doch weiter in die Vergangenheit schauen?
Anstatt sich bei einem Galao mit Geburtsvorbereitungsbüchern zu befassen, muss Avila in der High Society von Madeira nach einem Mörder suchen. Eine Klientel, zwischen der sich der bodenständige Comissário gar nicht wohlfühlt.
Die schwangere Leticia umso mehr. Daher fängt sie auch an, ihre eigenen Informationen einzuholen. Wenn das mal gut geht …

Und weiter geht es mit einer exklusiven Leseprobe:

Prolog

Zwischen dem Duft von Sand und frischem Gras kitzelte jetzt ein Geruch von Metall seine Nase. Feuchtes Schmatzen aus vielen Mäulern untermalte alles. Er wandte sich ab und blickte in Richtung Laurazeenwald.

Warum hatte sie das nur getan? Es war so perfekt gewesen. Sie hatte ihn endlich wieder glücklich gemacht. War wie eine Sommerbrise durch sein Leben geweht und hatte die Schwere, die sich auf seine Ehe gelegt hatte, vertrieben. Kurz nach der Hochzeit hatte es angefangen: Er verspürte keine Freude mehr, Milly zu berühren. Es ging nur noch darum, einen Erben für die Fabrik des Alten zu zeugen. Aber sooft sie es auch versuchten, Milly wurde nicht schwanger. Jedes Mal zu einer bestimmten Zeit im Monat kam er sich vor wie einer dieser Zuchthengste, der eine Stute bestieg. Ja, das war sie für ihn, nicht mehr als eine Stute. Es gab nicht mehr dieses prickelnde Gefühl, dass sie etwas Verbotenes taten. Im Gegenteil. In der großen Quinta hatten die Wände Ohren. Beim Liebesakt stellte er sich vor, wie sein Schwiegervater lauschte und hoffte, dass jetzt endlich der ersehnte Thronfolger kam. Er fühlte sich alt und verbraucht, trotzdem er noch nicht einmal dreißig war. Tagsüber schuftete er in der Fabrik, am Abend musste er zu Hause seinen Mann stehen.

Alles änderte sich, als sie in sein Leben trat: Órla. Der Name allein war ein Versprechen. Sie war die Enkelin irischer Einwanderer und ihr Name bedeutete »Goldene Prinzessin«. Und genau das war sie. Entgegen der Damenmode trug sie ihre rotblonden Haare offen. Sie fielen ihr in langen Locken über die Schulter. Es war das Erste, das er von ihr wahrgenommen hatte. Die langen Haare, die von der warmen Herbstsonne in ein rötlich schimmerndes Licht getaucht wurden. Im Hafen in Câmara de Lobos hatte er sie das erste Mal gesehen. Alleine, ohne Begleitung, kaufte sie von einem der Fischer getrockneten Bacalhau, den diese dort in großen Mengen an hölzernen Gestängen trocknen ließen. Gelblich-weiß hingen die Fischstücke in trockenen, ausgefransten Trapezen herunter. Und dazwischen stand Órla in ihrer goldenen Herrlichkeit. Unübersehbar. Unwiderstehlich.

Er zögerte nicht und ging direkt auf sie zu. Grüne Augen schauten ihn an, in ihnen spiegelte sich ihre Fröhlichkeit, die ihn die nächsten Monate wie in einem Traum davontrug. Órla tauchte alles um ihn herum in ein sanftes Licht, das auch die Risse in seiner Ehe überdeckte. Ob Milly etwas ahnte? Wenn es so war, ließ sie es geschehen. Auch sie merkte, dass die Unbeschwertheit aus ihren Anfängen zurückgekehrt war.

Bis dieser verdammte Tag kam. Órla hatte ihn gebeten, abends vor dem Ball noch einmal in ihr kleines Haus in der Nähe von Madalena do Mar zu kommen, das ihnen als Liebesnest diente. Als er ankam, fiel ihm gleich auf, dass etwas anders an ihr war. Ihre langen Haare waren verschwunden. Kurze, rötliche Wellen rahmten ihr Gesicht ein.

»Gefällt es dir?«

Er war fassungslos.

»Wieso hast du das getan?«

»Mein Leben wird sich von Grund auf ändern. Unser Leben. Wir müssen reden.«

In seinen Ohren war ein wütendes Rauschen, als er aus der Hütte stürmte.

Drei Tage später kehrte er zurück und tat, was getan werden musste.

Vorsichtig öffnete er das Gatter und schob mit der Schuhspitze die Reste auseinander. Das kehlige Schmatzen, gepaart mit dem leisen Grunzen wurde unterbrochen. Köpfe hoben sich kurz, dann beugten sie sich wieder herunter und es ging weiter. Sie waren noch nicht fertig, aber der Rest würde in den nächsten Stunden verschwinden.

Leise schloss er das Gatter hinter sich und ließ sie ihre Arbeit zu Ende bringen.

Garajau, 01.08.2013 – 6:46

Avila zerrte an Ursos Leine. Der Hund hatte unter einem Auto etwas Interessantes entdeckt und wollte sich nicht davon losreißen.

Anstatt seinem Herrchen zu gehorchen, versuchte der Golden Retriever, unter das Auto zu gelangen. Avila drückte auf den Knopf der Leinenrolle, um Urso ein bisschen mehr Freiraum zu lassen. Das war ein Fehler. Urso fing an zu bellen und zog mit aller Macht. Avilas Unterarm ratschte am Spoiler des Autos entlang. Verdammter Mist! Ein klaffender Riss über den halben Arm. Eine schwarze Katze schoss unter dem Auto hervor, sprang mit einem Satz auf die mannshohe Mauer des nächsten Grundstückes. Sofort erklang ein zorniges Bellen aus mehreren Hundekehlen. Auch auf diesem Grundstück gab es Wachhunde. Urso war mittlerweile wieder unter dem Auto hervorgekommen, nicht ohne die Leine einmal um den Reifen zu wickeln. Jetzt stand er vor der Mauer und bellte die Katze an. Avila merkte, wie sein Stresspegel stieg. Er hasste es, Urso in ihrem Viertel auszuführen. Überall gab es Hunde und Katzen. Und die meisten Hundebesitzer führten nicht wie Leticia und er ihr Tier an der Leine. Nein, ab und zu wurde das Tor geöffnet und die Hunde rannten auf die Straße.

Es gab eine Hündin im Viertel, die ständig durch die Straßen streunte und äußerst aggressiv war. Jedes Mal, wenn sie in ihren Umkreis kamen, fing Avila an zu schwitzen. Auch heute Morgen ertappte er sich dabei, dass er sich ständig umdrehte und nach diesem verdammten Mistvieh Ausschau hielt. Wieder einmal fragte er sich, wie seine Frau, die doch viel zierlicher und kleiner war als er, es schaffte, sich vor dieser Hündin Respekt zu verschaffen. Zumindest erzählte sie ihm, wenn er sich nach einem Spaziergang mit Urso wieder über die anderen Hunde beklagte, dass sie keine Probleme damit hätte.

Leticia. Avilas Magen krampfte sich zusammen. Leticia, seiner Frau, ging es nicht gut. Sie war jetzt im siebten Monat schwanger, und der Arzt hatte ihr aus Sorge vor einer Fehlgeburt so wenig Anstrengung wie möglich verordnet. Lange Gänge mit dem Hund, die steilen An- und Abstiege von Garajau und Umgebung entlang, waren damit gestorben.

So musste Avila jetzt zusehen, wie er Ursos Bewegungsdrang stillte. Zum Glück herrschte im Präsidium momentan Ruhe. Sein Subcomissário Vasconcellos und er hatten keinen nennenswerten Fall zu bearbeiten. Urlaub wollte Avila aber jetzt auch nicht nehmen, den sparte er sich gerade auf, damit er nach der Geburt für seine kleine Familie da sein konnte. Zur Mittagszeit raste er meistens aus Funchal die Autobahn entlang nach Garajau, um nach Leticia zu schauen. Danach gönnte er Urso eine Mittagsrunde hinunter zur großen Christusstatue, dem Christo Rei. Das einzig Positive an dieser Situation war, dass er nicht mehr ganz so außer Puste war, wenn er die Treppen im Polizeipräsidium hochging. Die Spaziergänge über die steilen Wege hier in Garajau konnte man wirklich als Sport bezeichnen, so viel stand fest. Leider hatte sich bisher dazu kein positives Ergebnis auf der Waage gezeigt. Der Hosenbund kniff wie eh und je …