Für die Aprilausgabe des britischen Magazins “Mystery People” durfte ich einen Artikel über meine Liebe zur Insel Madeira und wie mich das zum Schreiben inspiriert erstellen.
Of my love for an island and how it inspires me to write – Joyce Summer
Madeira. “Flower Island” and “Island of eternal spring” are some of the names it is known by. For me it is simply “my” island. But it was a long way to get there.
The first time I met her consciously was in my mother’s tales, more than 25 years ago. Photos showing my mother beside folklorist-like market women, a lot of green, many flowers. Nothing that I thought I might ever be interested in.
Somehow I remembered it when we were looking for a new holiday spot. Not too far away, warm and not one of the popular tourist destinations for your typical beach holiday.
Wer möchte kann hier den ganzen englischen Text lesen.
Für alle anderen folgt hier der Text auf Deutsch:
Von der Liebe zu einer Insel und wie sie mich zum Schreiben inspiriert – Joyce Summer
Madeira. Blumeninsel. Insel des ewigen Frühlings. So wird sie genannt. Für mich ist sie einfach meine Insel. Aber bis dahin war es ein langer Weg.
Das erste Mal bewusst begegnet ist sie mir in den Erzählungen meiner Mutter, die sie vor über 25 Jahren bereiste. Bilder meiner Mutter neben folkloristisch anmutenden Marktfrauen, viel Grün, viele Blumen. Nichts, von dem ich gedacht hätte, dass es ich einmal interessieren könnte.
Irgendwann tauchte sie wieder in meinem Kopf auf, als wir ein neues Reiseziel suchten. Nicht zu weit weg, warm sollte es sein und keine touristische Hochburg mit den typischen Strandurlaubern.
Vielleicht doch Madeira? Wir buchten kurzentschlossen und flogen hin.
Der Flughafen war für mich als leicht nervöse Vielfliegerin eine Herausforderung. Starke Winde, kurze Landebahn, Piloten, die nur mit Spezialausbildung dort landen dürfen, bereiteten mir Albträume.
Der erste Blick über das Grün der Insel, die rosa-orangen Häuserdächer, die bunten Blumen, war dann die Belohnung für die schlaflosen Nächte zuvor. Madeira war doch nicht nur die viel beschriebene Rentnerinsel, sondern bot eine Vielfalt von Eindrücken und Möglichkeiten.
Irgendwann war sie da, die Idee, Madeira zur Protagonistin meiner Krimis zu machen. Meine Leser sollten wie ich die Insel fühlen, hören, schmecken, riechen und sehen. Das Knarzen der Eukalyptushütchen, wenn man über den weichen Boden der Levada dos Tornos läuft. Das Plätschern der vielen kleinen Wasserfälle um Rabacal, die auch mal völlig überraschend vor dem Wanderer mitten im Wald auftauchen können. Die Kälte, die wie tausend kleine Nadeln sticht, wenn man sich in einem der kleinen Seen, nach einem anstrengenden Auf- oder Abstieg erfrischt. Der Geruch von feuchtem Moos und der Duft der vielen Blumen, die die Landschaft prägen.
Wann begann ich vor meinem geistigen Auge meine Figuren zu sehen, wie sie wie ich den Laurazeenwald und den dunkelblauen Atlantik erkundeten? Ich weiß es nicht. Auf einmal waren sie da.
Die neugierige Pauline, die mit großen Augen durch Funchal läuft und an jeder Ecke etwas entdeckt. Dabei aber auch zu gerne die Gefahr aus den Augen verliert und schon mal über eine Leiche, begraben unter Hortensienblüten, stolpert. Oder ihr Ehemann Ben, manchmal etwas pedantisch, manchmal nur damit beschäftigt, seine Pauline vor drohenden Gefahren zu retten.
Sobald ich auf Madeira bin, treffe ich die beiden vor Blandy‘s, dem berühmten Madeiraweinhersteller in Funchal, wo sie sich gerade einen süßen Malmsey für den Abend kaufen. Oder ich sehe, wie sie sich genüsslich über eine Pfanne mit frisch gebratenen Lapas hermachen. Diese kleinen Napfschnecken, die mit frischem Knoblauch in ihrer Schale in Olivenöl gebraten werden, erfordern vielleicht ein bisschen Mut, wenn man sie das erste Mal probiert. Aber auch ich tue es mittlerweile Pauline und Ben nach und genieße sie jedes Mal, wenn ich auf Madeira bin.
Wenn ich aber ganz viel Glück habe, treffe ich ihn, Fernando Avila, meinen Comissário. Avila, der so gerne Espedata, den berühmten Rinderspiess, isst, was man an seinem wachsenden Bäuchlein gut erkennen kann. Ich sehe ihn, wie er den Abend geruhsam bei einem Glas trockenen Verdejo ausklingen lässt und dabei Tremocos knabbert. Die sauer eingelegten Lupinenkerne sind eine der wenigen Leidenschaften von ihm, die ich nicht teile. Zu einem Glas Madeira lasse ich mich von ihm dagegen gerne einladen, egal, ob es trockener Verdejo oder süßer Malmsey ist. Avila, der, trotz aller Gemütlichkeit, die Beharrlichkeit und den Gerechtigkeitssinn hat, um seine Fälle zu lösen.
Er zeigt mir sein Madeira. Die kleinen Lokale in der Altstadt von Funchal, kleine Imbisse in Garajau, in denen sich die Einheimischen treffen und in denen es die besten Lapas gibt. Dort trinkt er auch mal einen Bica und ich genieße meinen Galao, während er mir von seinen neuesten Fällen erzählt. Manchmal fahren wir zusammen hoch über Canico in das Restaurant, wo sich so selten ein Tourist hin verirrt. Dort sitzen wir dann und beobachten, wie der Rinderspiess auf dem Lavagrill langsam an Farbe gewinnt und schwelgen in den Aromen von Oregano und Knoblauch, die in unsere Nase steigen.
Dann fühle ich es wieder. Madeira. Meine Insel.
Joyce Summer